01 Counter-Investments
Es mag sich nicht fair anhören, aber als Investor und Privatier zahle ich seit Jahren den gleichen Benzinpreis an der Tankstelle. Während andere bei jedem Anstieg des Benzinpreises klagen und tiefer in die Tasche greifen müssen, bleibt für mich der Preis, den ich für das Benzin bezahle, das ich in meinen kleinen alten Roadster tanke, für immer unverändert.
Wie soll das gehen? Ich habe keinen Dienstwagen mit Tankkarte und gedeckelter Selbstbeteiligung (bin ja kein Angestellter). Ich werde nicht von Shell oder Exxon gesponsert und ich verlange auch kein Schutzgeld vom Tankstellenpächter – obwohl letzteres schon in Richtung des geilen Deals geht, den ich in diesem Artikel beschreiben möchte.
Solche Deals nenne ich Counter-Investments. Dabei geht es um Investments, die als Gegengeschäft zu einem Kostenblock dienen und diesen verringern, begrenzen oder eliminieren können. Als Beispiel stelle ich heute Counter-Investments zu Tankkosten und Mobiltelefonen vor.
Sicher hat sich fast jeder, der seit mehreren Jahren regelmäßig tankt und das Auf und Ab des Benzinpreises (meistens „das Auf“) beobachten muss, in einem „Ab“ schon einmal überlegt, dass man sich bei diesem Preis ein paar Fässer Kraftstoff in die Garage stellen sollte, um bei steigenden Preisen trotzdem günstig tanken zu können. Dies ist natürlich, wenn man nicht zufällig eine alte Raffinerie geerbt hat, nicht besonders praktikabel.
Findige Finanzarchitekten haben sich hierzu jedoch etwas ausgedacht, um dies zu ermöglichen und es ist dank der heutigen elektronischen Börsen denkbar einfach geworden, dies mit ein paar Klicks zu realisieren. Das Vorhandensein einer entsprechenden Investitionssumme vorausgesetzt, kann man diese mit Minimalaufwand in einem Produkt platzieren, das den Ölpreis abbildet. Solche Produkte hießen früher meist Ölzertifikate, werden heute aber gerne eher als ETCs (Exchange-traded Commodities) gehandelt. Worum es sich dabei handelt, werde ich anderer Stelle noch detailliert erläutern. Für den Moment ist nur wichtig zu wissen, dass man sie genauso leicht kaufen kann wie eine Aktie. Mit einem Kauf in der richtigen Höhe hat man den Benzinpreis, den man an der Tankstelle zu bezahlen hat, für immer auf das heutige Niveau eingefroren. Sollte der Preis steigen, wächst automatisch unser Vermögen in ähnlichem Umfang. Unterm Strich bleibt in unserer Bilanz also alles stabil. Wenn wir Lust haben, weiten wir dies jetzt auch noch auf unsere Heizkosten aus und kaufen noch einem mal eine Block eines solchen Öl-ETCs. Dann werden wir auch nie wieder mit steigenden Kosten belästigt.
Selbstverständlich gibt es hier in der Praxis gewisse Einschränkungen, die zumindest kurz angerissen werden sollen (bevor mich ein Leser hier als naiv bezeichnet). Der Ölpreis und der Preis von Benzin und Heizöl verhalten sich aufgrund fester Kostenblöcke für Steuern und Logistik sowie der Marktsituation (Preise von „Futures“, „Rollverluste“), der Höhe der Lagerhaltung, Politik (z.B. Zölle, Energiewende) nicht 1:1. Zudem müsste man einen Entnahme-Plan umsetzen, um bei steigendem Ölpreis die Gewinne heraus zu ziehen, was sich aufgrund der anfallenden Transaktionskosten nur bedingt rechnen wird. Mir geht es hier jedoch um das geniale Prinzip solcher Counter-Investments aus der Sicht unseres Gesamtvermögens.
Ein anderes Beispiel sind z.B. unsere Mobilfunkkosten. Wer einen Vertrag bei einem Anbieter besitzt und dafür monatlich bezahlt, muss nur einen einzigen Aktienkauf bei seinem Anbieter durchführen und telefoniert und surft fortan lebenslänglich kostenlos. Beispielsweise deckt ein einmaliger Aktienkauf über ca. 7000 Euro bei Vodafone oder Telefonica (O2) dank einer Dividende von über 5% lebenslang Eure Telefonkosten bei einem Vertrag, der Euch monatlich 30 Euro kostet.
Mit einem solchen einmaligen Counter-Investment bezahlt ihr nie wieder Telefonkosten. Eure künftigen Smartphones könnt ihr von Eurer Samsungaktie bezahlen lassen und so weiter.
Noch weitergedacht verschwinden so nach und nach alle Kostenblöcke aus Eurem Leben.
Selbstverständlich geht es hier im Kern nicht um eine Spiegelung von Zahlungen, die an ein bestimmtes Unternehmen erfolgen müssen, durch ein 1:1-Investment in Aktien von genau diesem Unternehmen. Es ist auch in Ordnung, wenn die Dividenden aus einem Immobilien-Fond für das mobile Telefon aufkommen. Diese Betrachtungsweise ist jedoch auf dem Weg zum Break-Even (Deckung aller Kosten durch Erträge aus Investments) eine sehr befriedigende Perspektive.
Ich persönlich habe aktuell (Ende Dezember 2019) eine Verkaufsorder für meinen langjährig gehaltenen Erdöl-ETC platziert (in Form einer Trailing-Stop-Loss Market Order). Seit ich aus dem aktiven Arbeitsleben ausgetreten bin, fahre ich meinen Roadster deutlich weniger. Ich fahre stattdessen viel Fahrrad – mit guter Rendite für die Gesundheit, und wann immer es geht mit meinem elektrischen Motorrad. Vielleicht sollte ich den Gewinn aus dem Öl-ETC in einen Energieversorger und Hersteller von Solaranlagen umschichten?
Ich wünsche Euch ein gutes Händchen bei Euren Counterinvestments!
In diesem Sinne, Euer Andreas